Was sind Open Educational Resources?

Bildung ist längst nicht mehr nur an Klassenzimmer, Hörsäle oder dicke Bücher gebunden. Lerngewohnheiten und Möglichkeiten Wissen zu teilen haben sich verändert. Begriffe wie Open Access und digitale Lernplattformen sind nicht mehr wegzudenken. Auch Open Educational Resources (OER) haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen – frei zugängliche und offen lizenzierte Lehr- und Lernmaterialien für alle. Doch was genau steckt hinter diesem Konzept, warum ist es so wichtig und welche Chancen und Herausforderungen bringt es mit sich? Wir werfen einen genauen Blick in Welt des offenen Lernens

Was sind eigentlich OER?

Eine ganz einheitliche Definition gibt es zwar nicht, aber grundsätzlich versteht man unter Open Educational Resources (OER) frei zugängliche Bildungsmaterialien in unterschiedlichster Form. Von einzelnen Arbeitsblättern über komplette Lehrbücher bis hin zu ganzen Kursen. Diese liegen oft als Videos, Podcasts, (Online-)Kurse oder Lehrpläne vor. Das Besondere an OER ist, dass sie entweder gemeinfrei sind (also nicht mehr unter dem Schutz des Urheberrechts stehen) oder mit einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden. Aufgrund dieser Lizenzen könnt ihr die Materialien also nicht nur kostenlos nutzen, sondern auch eigenständig verändern und weiterverarbeiten. Die Urheberinnen und Urheber entscheiden dabei selbst, was erlaubt ist und unter welchen Bedingungen.

Die Idee der OER ist aber keine neue und schon Anfang der 2000er entstanden. Als Initiator gilt dabei das renommierte MIT (Massachusetts Institute of Technology) in den USA. Das hat im Rahmen eines Projekts bereits große Teile ihrer Lehrmaterialien kostenlos ins Netz gestellt – für alle, weltweit. Die UNESCO hat dann kurz darauf den Gedanken aufgegriffen und bei einem Forum in Paris 2002 erstmals den Begriff Open Educational Resources ins Spiel gebracht. Seither setzen immer mehr Schulen, Universitäten und Organisationen auf frei verfügbare Lerninhalte. Der Begriff „educational“ bedeutet dabei aber nicht zwingend, dass es sich um klassisches Unterrichtsmaterial handeln muss. Auch Inhalte, die ursprünglich nicht für Bildungszwecke gedacht waren, können als OER gelten – solange sie jedenfalls den Lernprozess unterstützen oder als Teil in einer Lehr- und Lernzusammenhang eingebunden werden können.

Die OER-Bewegung hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und ist stetig gewachsen. Sie ist heute fester Bestandteil moderner Bildung. Die Ziele? Wissen soll für alle zugänglich sein – unabhängig von ihrem sozialen Status oder geographischer Lage. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich Wissen anzueignen, ohne dafür ein Vermögen ausgeben zu müssen.

Lizenzen für OER

Der Schlüssel zu Open Educational Resources (OER) liegt in den offenen Lizenzen. Diese Lizenzen sind der Grundbaustein für den freien und kostenlosen Zugang zu Lernmaterialien. Sie legen fest, wie die Inhalte genutzt, bearbeitet sowie weiterverwendet werden dürfen und machen es rechtlich überhaupt erst möglich, diese problemlos zu teilen.

Wichtig ist: Auch OER sind in der Regel urheberrechtlich geschützt – also nicht völlig frei von Schutzrechten. Dadurch können sie trotzdem verschiedenen Nutzungsbedingungen unterliegen – unter anderem die Nennung des Urhebers bei der Weiterverwendung (CC BY). Doch im Gegensatz zu traditionellen Lehrmaterialien sind sie zur Nutzung freigegeben – meist durch sogenannte „Jedermannlizenzen“ (Public Licenses). Der Rechteinhaber kann dabei dann entscheiden, unter welchen Bedingungen seine Werke genutzt werden dürfen.

Obwohl es keine festen Vorgaben für die Wahl einer Lizenz gibt, haben sich Creative Commons Lizenzen (CC) weltweit als Standard durchgesetzt. Sie sind rechtlich sicher und werden damit sowohl international als auch in Deutschland anerkannt. Schon 2016 waren bereits etwa 1,2 Milliarden Inhalte im Internet unter einer Creative Commons Lizenz frei verfügbar.

Für euch zusammengefasst: Offene Lizenzen sind Hauptbestandteil von OER. Sie ermöglichen die Nutzung, Bearbeitung und Verbreitung von Materialien auf rechtlich abgesicherte Weise und haben Creative Commons als gängige Lizenzform etabliert. Doch merkt euch dabei: Der Urheberrechtsschutz bleibt immer bestehen – er wird nur durch die Lizenz zur kostenlosen Nutzung freigegeben.

Warum sind OER wichtig?

Bildung ist teuer – das wissen wir alle. Nicht jeder kann diese Kosten tragen und sich Bildung leisten. Genau hier kommen OER ins Spiel: Sie machen Bildung durch die kostenlose Nutzung für alle zugänglich und können damit finanzielle Barrieren überwinden. Da sie offen zugänglich sind, können sie unabhängig vom sozialen Status und geographischer Lage genutzt werden. Sie fördern damit die Chancengleichheit, Inklusion und schützen vor Ausgrenzung sowie Diskrimierung. Sie tragen somit zur Demokratisierung der Bildung bei, indem sie den Zugang zu hochwertigem Lernmaterial für alle Menschen ermöglichen – weltweit.

Damit tragen OER einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda Bildung 2030, die sich für eine inklusive, gerechte und hochwertige Bildung für alle Menschen weltweit starkmacht. Das Ziel? Wissen mit weniger Aufwand an mehr Menschen zu bringen.

Ein weiterer großer Vorteil von OER: Ihre Anpassungsfähigkeit. Sie können nicht nur frei bearbeitet und geteilt werden, sondern auch regelmäßig aktualisiert und an neuste Veränderungen angepasst werden. Besonders cool? Die Materialien können vor allem an die individuellen Lernbedürfnisse angepasst werden. OER tragen somit zu einer offeneren Lernkultur bei – Lernende können aktiv in den Lernprozess eingebunden werden, was ihre Selbstständigkeit und Motivation erheblich stärken kann.

Wie werden OER gefördert?

In den letzten Jahren hat die Nutzung von OER stark zugenommen. Auf verschiedenen Online-Plattformen findet ihr mittlerweile eine riesige Auswahl an offenen Bildungsmaterialien. Projekte wie OpenStax und Wikibooks bieten tausende kostenlose Lehrbücher und Lerninhalte an – eine wertvolle Ressource für alle Lernenden und Lehrenden.

Doch hinter diesem Wachstum steckt ein großer Aufwand und viele Ressourcen. Die öffentliche Hand spielt dabei eine wichtige Rolle und dient als indirekte Unterstützung bei der Erstellung von OER: Lehrende an öffentlichen Einrichtungen erstellen während ihrer Arbeitszeit Materialien, die dann als OER zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus gibt es aber auch immer wieder öffentliche Förderprogramme, die solche Initiativen voranbringen.

Ein bedeutender Schritt für eine breitere Nutzung von OER wurde im Juli 2022 getan: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat an diesem Tag erstmals eine nationale OER-Strategie vorgestellt. Diese basiert auf einer Empfehlung der UNESCO. Ziel dieser Strategie? Die Rahmenbedingungen für die Erstellung und Nutzung öffentlicher zugänglicher Bildungsmaterialien in Deutschland zu verbessern.

Ein besonders wichtiger Bestandteil der OER-Bewegung in Deutschland ist die aktive und kreative Community. Diese setzt sich mit vielen unterschiedlichen Projekten dafür ein, OER in allen Bildungsbereichen zu etablieren. Besonders hervorzuheben sind dabei die OERcamps, die von der deutschen UNESCO-Kommission unterstützt werden. Sie haben sich als zentrale Veranstaltungen für die OER-Community im deutschsprachigen Raum einen Namen gemacht und tragen dazu bei, das Thema weiter zu verbreiten.

Wie erkennt man OER?

Open Educational Resources sind auf den ersten Blick nicht immer als solche erkennbar. Oft fehlt eine klare Kennzeichnung und damit die Möglichkeit, das Material im Unterricht zu nutzen. Lehrende haben Angst, dass der Inhalt nicht gemeinfrei ist und rechtliche Konsequenzen folgen – also entscheiden sie sich gegen die Verwendung. Für Laien sind die rechtlichen Feinheiten nämlich oft schwer zu verstehen. Damit euch das nicht passiert haben wir ein paar Merkmale für euch, an denen ihr OER bestenfalls immer erkennen könnt.

Grundsätzlich gilt: Fehlt eine klare Kennzeichnung, kann man im Zweifel davon ausgehen, dass alle Rechte vorbehalten sind.

Ein einfaches, aber hilfreiches Kennzeichen ist das „Public Domain Mark“-Logo. Das markiert das Material als gemeinfrei. Allerdings bietet euch diese Kennzeichnung keine hundertprozentige Garantie, sondern lässt sich eher als ein starkes Indiz dafür verstehen. Ihr könnt euch aber merken: Wenn Inhalte mit Open-Content-Lizenzen wie Creative Commons freigegeben wurden, ist eine klare Kennzeichnung unerlässlich. Diese gibt euch die Sicherheit, dass ihr das Material ohne rechtliche Konsequenzen frei nutzen könnt. Jede Open-Content-Lizenz hat in der Regel ein eigenes Logo oder grafisches Erkennungsmerkmal.

Zudem können Lizenzinformationen auch als technische Metadaten in den Dateieigenschaften hinterlegt werden. Bei vielen Dateiformaten findet man diese Informationen unter den „Eigenschaften“ der Datei, bei Webseiten sind sie oft im HTML-Code eingebaut. Für Creative Commons-Lizenzen gibt es sogar eine spezielle „Metadaten-Sprache“ namens „CC Rights Expression Language“, die auf XML basiert. Doch auch hier gilt: Eine Kennzeichnung alleine stellt nicht sicher, dass das Material wirklich als OER genutzt werden kann.

Um das Auffinden von OER zu erleichtern und mehr Einheitlichkeit in der Freigabe von Materialien zu fördern, entstehen immer mehr Sammlungen und Hilfsangebote. Ein besonders relevantes Beispiel ist das OpenCourseWare Consortium sowie auch der europäische Ableger OpenCourseWare Europe. Diese Plattformen sammeln Regelungen, Absichtserklärungen und Implementierungen rund um OER und machen sie für euch besser vergleichbar und ersichtlicher.

Alles in allem lassen sich OER trotzdem nicht wirklich einfach erkennen und die Angst vor einer falschen Nutzung bleibt bestehen – berechtigterweise.

Wo und wie sind OER im Netz zu finden?

OER könnt ihr im Netz auf unterschiedliche Weise finden. Die erste Möglichkeit: Nutzt allgemeine Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo. Wichtig ist dabei, dass ihr die richtigen Suchbegriffe verwendet – etwa sucht ihr die Namen der Open-Content-Lizenzen oder gezielt nach den verschiedenen Materialien, die unter diesen Lizenzen stehen. Bei Google könnt ihr beispielsweise unter „Einstellungen“ -> „Erweiterte Suche“ -> „Nutzungsrechte“ einen Filter setzen, der es euch ermöglicht, gezielt nach Inhalten zu suchen, die mit verschiedenen Creative Commons-Lizenzen versehen sind.

Neben den klassischen Suchmaschinen gibt es aber auch spezielle Online-Plattformen und Projekte, die sich auf frei verfügbare Lernmaterialien konzentrieren. Seiten wie OER Commons, Wikipedia, Europeana oder EduTags bieten euch eine Vielzahl von Materialien, die ihr problemlos nutzen könnt.

Aber auch auf Content-Portalen, die nicht ausschließlich für Lehr- und Lerninhalte gedacht sind, findet ihr OER. Websites wie Flickr oder Vimeo bieten zum Beispiel Fotos und Videos an, die unter offenen Lizenzen stehen und damit frei von euch genutzt werden können.

Chancen und Herausforderungen

Open Educational Resources bieten im Bildungsbereich eine Menge Potenzial. Zum einen ermöglichen sie euch eine gezielte Suche nach lizenzierten Materialien und sind weltweit zugänglich – egal, wo ihr euch gerade befindet. Dank der Digitalisierung und Vernetzung bieten euch OER die Chance auf einen globalen Austausch und eine neue Form der Zusammenarbeit. Für Lehrende und Lernende bedeutet das eine echte Bereicherung: OER spart Zeit beim Teilen und Wiederverwenden von Materialien. Sie können nach Belieben erstellt, bearbeitet, angepasst und regelmäßig aktualisiert werden. Das bietet eine hohe Flexibilität und ermöglicht es, Materialien auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden. Zudem können OER den Selbstlernprozess unterstützen, da Lernende durch eigenständige Bearbeitung von Inhalten aktiv in den Lernprozess eingebunden werden.

Trotz all ihrer Vorteile ist der Weg zu einer breiten Nutzung von OER nicht ganz so einfach. Ein großes Problem ist, dass viele Lehrende und Lernende überhaupt nicht wissen, wie viel hochwertiges, kostenloses Lernmaterial online zur Verfügung steht. Dazu ist es oft auch schwierig, OER didaktisch sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.

Ein weiteres Hindernis sind die technischen Voraussetzungen. Manche haben nicht die nötige Medienkompetenz oder die passende Ausstattung, um OER effektiv nutzen oder erstellen zu können. Auch die Qualitätssicherung stellt eine Herausforderung dar: Während traditionelle Lehrbücher durch Verlage und Experten geprüft werden, gibt es bei OER keine zentrale Instanz, die für die Qualität sorgt. Wer OER-Materialien nutzt, muss also selbst sicherstellen, dass die Inhalte korrekt und aktuell sind.

Auch wenn offene Bildungsmaterialien in ihrer Nutzung kostenlos sind, sind sie in ihrer Erstellung oft ressourcenintensiv. Ohne ausreichende öffentliche Förderung offener Bildungsmaterialien wird das Angebot in diesem Bereich auch auf längere Sicht vermutlich nicht ansteigen.

Und dann gibt es noch die rechtliche Seite: Obwohl Creative Commons Lizenzen einen rechtlichen Rahmen bieten, bleibt der Umgang mit Urheberrechten und Lizenzierungen für viele eine Herausforderung. Besonders Lehrende haben oft Bedenken wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen oder Abmahnungen. Ohne ausreichende Aufklärung und Unterstützung kann die Nutzung von OER daher abschreckend wirken.

Ein Blick in die Zukunft

Trotz der Herausforderungen sieht die Zukunft von Open Educational Resources durchaus vielversprechend aus. Weltweit erkennen immer mehr Bildungseinrichtungen den Wert dieser offenen Bildungsressourcen an und investieren in deren Entwicklung und Verbreitung. Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der Einführung neuer Technologien, wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz, wird OER voraussichtlich in Zukunft noch wichtiger werden.

Ein bereits erkennbarer Trend ist die zunehmende Integration von OER in Lernmanagementsysteme und digitale Klassenzimmer. In solchen Umfeldern könnten OER nämlich eine wichtige Rolle dabei spielen, Lernumgebungen zu schaffen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten sind.

Die politische Unterstützung für OER wächst ebenfalls. In vielen Ländern fördern Regierungen die Entwicklung und Nutzung offener Bildungsmaterialien, und internationale Organisationen wie die UNESCO setzen sich ebenfalls verstärkt für OER ein. Auch der Open-Access-Gedanke, der in der wissenschaftlichen Forschung immer mehr an Bedeutung gewinnt, könnte dazu beitragen, die Verbreitung von OER weiter voranzutreiben.

Trotz der positiven Entwicklungen gibt es viele Voraussetzungen, damit OER in Zukunft optimal genutzt werden können. Zum einen bleibt die öffentliche finanzielle Unterstützung wichtig, ebenso wie eine klare Klärung rechtlicher Fragen. Zudem müssen an allen Lernorten eine gute Internetverbindung und die nötige technische Ausstattung vorhanden sein. Die Medienkompetenz der Lernenden und Lehrenden muss weiter gestärkt werden, und es sollten bessere Strukturen zur Auffindbarkeit und Bewertung von OER geschaffen werden, um deren Nutzung und Verbreitung zu fördern.

Fazit

OER können sich als ein echter Game-Changer in der Bildung erweisen. Sie bieten einen kostengünstigen, flexiblen und inklusiven Zugang zu Lernressourcen, der die Bildung weltweit ins Positive verändern und vor allem die Chancengleichheit fördern sowie die soziale Kluft verringern kann. Doch der Weg zu einer breiten Nutzung erfordert nicht nur technische und rechtliche Lösungen, sondern auch ein Umdenken bei den Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft.


Image via ChatGPT

Die Germanistik-Studentin liebt es zu lesen und zu schreiben. Bei den Netzpiloten verbindet sie es mit der Neugier auf digitale Trends.


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